Page 15 - kmu-magazin-no-2-2021-de
P. 15

 Gibt es Träume, die Sie im eigenen Ruhestand verwirklichen wollen?
Ja, ich träume von einem Haus am Meer und einem Boot. Im Golf habe ich das Ziel, das Single Handicap zu erreichen. Golf ist für mich der einzige Sport, in dem ich mich noch verbessern kann. Solche Träume zeugen davon, wie gut es heute vielen ums Alter von 60 Jahren und mehr gesundheitlich geht. Ältere Menschen werden mobiler. Ich glaube, dass künftig mehr Menschen im Ruhe­ stand ins Ausland ziehen oder einen zweiten Wohnsitz erwerben. Denn im Ausland ist die Kaufkraft der Altersgut­ haben in Schweizer Franken oft höher.
Bei vielen Menschen in der Schweiz ist das Altersguthaben in der Pensionskasse das grösste Ver- mögen. Dennoch regt sich kaum Widerstand gegen den Reformstau. Dies ist erstaunlich! Sonst schauen
die Menschen genau hin, wenn es um Geld geht. Um zu erfahren, warum dies ausgerechnet beim grössten Vermögen nicht der Fall ist, haben Zurich Schweiz und Vita eine Studie beim Umfrage­ Institut Sotomo in Auftrag gegeben. Die Antwort lautet: Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass das Altersgut­ haben zum eigenen Vermögen zählt.
Woran liegt das mangeln-
de Bewusstsein?
Im Gegensatz zu anderen Vermögen ist das Altersguthaben nicht frei verfügbar. Hinzu kommt, dass die Arbeitgeber
die Sparbeiträge direkt vom Lohn ab­ ziehen. Anders als die Guthaben in der dritten Säule, die die Menschen selbst auf die Seite legen. Trotz dieser Unter­ schiede ist wichtig, dass die Menschen
realisieren, dass die Vorsorgegelder ihnen gehören. Eines Tages leben sie davon. Die Höhe entscheidet, welchen Lebensstil sie sich leisten können. Beginnt sich das Volk stärker mit
dem Altersguthaben zu identifizieren, wächst die Chance, dass dringend notwendige Reformen gelingen.
Was kann gegen das fehlende Bewusstsein getan werden?
Als Zurich Schweiz und Vita ist es uns wichtig, einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich die Menschen stärker für
die Vorsorge interessieren. Wir haben eine breite Kampagne lanciert, die den Menschen zeigt, dass das Geld in der zweiten Säule nicht in einem anonymen System verschwindet, sondern auf einem Konto landet, das ihnen gehört. Zusätzlich haben wir erklärt, dass der arbeitstätigen Bevölkerung heute viele Anlageerträge entgehen. Pro Jahr verlieren Berufstätige im Durchschnitt 1’000 Franken an die Umverteilung.
Was bekräftigt Sie in der Annahme, dass der Widerstand gegen den Reformstau grösser wäre, wenn die Menschen mehr wüssten?
Die Umfrage bei rund 1’600 Personen zeigte, dass nur 11 Prozent der Men­ schen sagen können, ob und dass Anlageerträge des eigenen Vorsorge­ kapitals dafür verwendet werden, um die überhöhten Renten von pensionierten Personen zu finanzieren. Sobald den Menschen in der Umfrage dieser Zusammenhang klar wurde, ging die Mehrheit von 78 Prozent davon aus, dass der Widerstand gegen die Um­ verteilung steigen würde, wenn diese besser bekannt wäre. Daraus schliesse
ich, dass wir mit einer Kampagne dazu beitragen können, die Bereit­ schaft für Reformen zu erhöhen.
Wie steht es denn um die gene- relle Bereitschaft der Menschen,
zu sparen? Man hört oft, junge Menschen seien nicht mehr so spar- sam wie frühere Generationen.
Dies ist nicht der Fall, wie die Um­ frage zeigt. Über die Hälfte der jungen Menschen zwischen 18 und 35 legt regelmässig Geld auf die Seite. Über dieses Resultat habe ich mich sehr gefreut. Es zeigt, dass die jungen Menschen gerne Eigenverantwortung übernehmen und zum Sparen bereit sind. Bei den Menschen ab 55 Jahren hingegen ist die Sparbereitschaft am geringsten, nur ein Drittel von ihnen legt gezielt Geld auf die Seite.
Welche Reformen wären sinnvoll?
Zentral ist, dass der Umwandlungssatz nicht mehr im Gesetz festgeschrieben ist. Das Umfeld der Vorsorge verändert sich stark. Da kann es nicht sein, dass das Gesetz einen fixen Satz vorschreibt. Ebenfalls wichtig ist, dass nicht mehr der Bundesrat entscheidet, wie hoch die Pensionskassen die Guthaben mindes­ tens verzinsen müssen. Beide Grössen sollen von der Marktentwicklung ab­ hängig sein. Einen grossen Fortschritt würde es bringen, wenn Jugendliche künftig in der Schule lernen würden,
wie das Vorsorgesystem funktioniert und wie sie früh dazu beitragen können, im Alter ein gutes Leben zu haben.
Studien-Download:
vita.ch/sotomo
INTERVIEW
15









































































   13   14   15   16   17