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ALTERSVORSORGE
Der perfekte Sturm
Drei grundlegende Veränderungen gefährden die Schweizer Altersvorsorge: Die Erhöhung der Lebenserwartung, die tiefen Zinsen und der Übertritt der Babyboomer­Generation ins Rentenleben.
 David Schaffner
In der Altersvorsorge braut sich der perfekte Sturm zusammen: Drei Entwick­ lungen schütteln das Gefüge kräftig durcheinander und führen dazu, dass nicht nur die Renten sinken, sondern das Fundament ins Wackeln gerät. Warum sich dagegen nicht mehr Widerstand formiert, hat eine Umfrage im Auftrag von Vita und Zurich Schweiz ergeben (siehe Interview mit Sandro Meyer).
1. Herausforderung: Lebenserwartung
Die Menschen in der Schweiz werden immer älter. Während die durchschnitt­ liche Lebenserwartung im Jahr 1985
bei der Einführung der obligatorischen beruflichen Vorsorge noch 74 Jahre (Mann) und 80 Jahre (Frau) betrug, sind es heute 82 respektive 85 Jahre. Das bedeutet, dass das angesparte Geld acht respektive fünf Jahre länger reichen muss als dies früher der Fall war. Bei den Männern hat sich die Zeit des Rentenbezugs damit fast verdoppelt (siehe Grafik).
Die Renten indes sind über eine sehr lange Zeit gleich hoch geblieben. Dafür sorgt der Umwandlungssatz. Dieser legt fest, welcher Anteil des Altersvermögens in eine jährliche Rente umgewandelt wird. Bleibt dieser Satz unverändert – wie dies lange der Fall war –, so bleiben auch
die Renten gleich hoch. Obwohl rechnerisch auf den ersten Blick klar ist, dass ein Altersguthaben in der bisherigen Höhe nicht für eine fast doppelt so lange Zeit reichen kann.
Mathematisch gelöst wird diese fehler­ hafte Rechnung, indem Vorsorgeein­ richtungen Gelder zu den Pensionierten umverteilen, die eigentlich den arbei­ tenden Personen zustehen würden. Entnommen werden diese Gelder den Renditen der Altersguthaben. Anstatt den arbeitenden Personen die volle Rendite ihrer Altersguthaben gutzu­ schreiben, verwenden viele Vorsorge­ einrichtungen einen immer grösseren Teil davon, um die überhöhten Renten der Pensionierten zu finanzieren. In den letzten Jahren verteilten die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen laut der Ober­ aufsichtskommission Berufliche Vor­ sorge zwischen 4,4 und 7,2 Milliarden Schweizer Franken pro Jahr um.
2. Herausforderung:
sinkende Zinsen
Seit der Einführung des Pensions­ kassen­Obligatoriums ist das all­ gemeine Zinsniveau stark gesunken. Während eidgenössische Anleihen
mit zehn Jahren Laufzeit 1991 noch
mit 6,4 Prozent rentierten, schlagen solch sichere Anleihen heute mit einem
Negativzins von minus 0,4 Prozent zu Buche (Stand Januar 2021). Wer anlegt, erhält nach 10 Jahren also weniger zurück als ursprünglich einbezahlt (siehe Grafik).
Negative Zinsen betreffen die Vorsorge­ einrichtungen sehr stark: Während Jahr­ zehnten investierten sie einen grossen Teil der Sparbeiträge in Staatsanleihen und Obligationen, da diese die höchste Sicherheit bieten und lange trotzdem eine gute Rendite eintrugen. Im Volks­ mund wurden Zinsen daher der «dritte Beitragszahler» genannt. Zusammen
mit den Sparbeiträgen der Arbeit­ nehmenden und den Arbeitgebern trugen die Zinsen dazu bei, dass die Vermögen über die Jahre stark stiegen.
Heute sind Vorsorgeeinrichtungen stark darauf angewiesen, mit anderen An­ lagen wie Aktien, Immobilien oder alter­ nativen Anlagen mehr Rendite zu erzielen. Solche Anlagen sind vola­
tiler und riskanter. Den Vorsorgeein­ richtungen ist es bisher zwar gelungen, mit anderen Anlagen einen Teil der weggebrochenen Rendite wieder zu erwirtschaften. Doch allzu viel haben die Aktiven allerdings nicht davon,
weil die Umverteilung dafür sorgt, dass ein Teil dieser Renditen bei den Personen im Ruhestand landen.
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